Der 20. April ist kein Datum wie jedes andere. Neben diversen geschichtlich relevanten Ereignissen ist der 20. April aber auch der Welt-Cannabis-Tag, der Welt-Kiffer Tag oder auch der Welt-Marihuana Tag. Im Laufe der Zeit hat dieser Tag solch einen massiven popkulturellen Einfluss gewonnen, dass wir hier bei Overkill uns die Mühe machen, ihn ein wenig näher betrachten. Der von der “Kiffergemeinde“ und der Industrie gleichermaßen oft nur als 4/20 (so die amerikanische Schreibweise) bezeichnete Tag wird nicht mehr nur von sogenannten Stonern gefeiert, auch börsennotierte Weltkonzerne, die den Tag als Marketingchance erkannt haben, zelebrieren ihn durch Produkte, die in irgendeiner Art der Marihuana-Kultur huldigen.

Für uns als Sneaker Boutique sind es vornehmlich Brands wie Nike und adidas, die dabei als relevant zu nennen sind. Sie bringen schon seit einiger Zeit alljährlich limitierte Sneaker mit Bezug zu eben jener Marihuana-Kultur auf den Markt. adidas tut dies in diesem Jahr in Form einer Kollaboration mit der US-amerikanischen Animationsserie South Park, deren Charakter Towelie der Held dieser Zusammenarbeit ist und natürlich auch bei uns im Overkillshop erscheint. Release des Schuhs ist natürlich am Dienstag, den 20. April 2021, allerdings konntet ihr eine Kaufoption für Schuh ausschließlich über die Teilnahme an einem Raffle gewinnen, das mittlerweile aber beendet ist. Es geht in diesem Blogbeitrag also nicht um verkaufsförderndes Marketing für die angesprochene Collabo, sondern darum, euch den adidas Campus, sowie diese Version des Campus mit seinem witzigen Storytelling näherzubringen.

Ursprünglich trug die heute als Campus bekannte Silhouette gar nicht den Namen Campus, denn als adidas 1972 den Schuh auf den Markt brachte, hatte man den Schuh adidas Tournament getauft. Bis etwa 1974 verkaufte adidas den Tournament als ernstzunehmenden Basketballschuh, der durchaus in den Hallen dieser Welt anzutreffen war. Bei seiner Wiedereinführung um 1981 aber wurde er in adidas Campus umbenannt, was unerklärlicherweise sein jähes Verschwinden von den Basketballcourts zur Folge hatte. Vielleicht waren es die immer stärker technologisierten Basketballmodelle, die den Campus als Performanceschuh verdrängten, vielleicht bevorzugten die Baller der 80er Jahre auch einfach hochgeschnittene Modelle. Sicher ist aber, dass seine sinkende Beliebtheit als Basketball-Performer nicht das Ende des Modells bedeutete, denn in der zart wachsenden Hip-Hop-Gemeinde Amerikas wurde der Schuh recht schnell zu einem Phänomen. Breaker, Sprayer und MCs verliehen dem Schuh ein Flair, das ihn zu einem der ersten Lifestyle Modelle werden ließ. Letztendlich waren es dann die Beastie Boys, die diesem Schuh ein Denkmal setzten, indem sie ihn immer wieder ihrer Fangemeinde auf Konzerten und sogar auf einem Album-Cover präsentierten. Es gab den zunächst bis 1987 produzierten adidas Campus nur als niedrige Wildleder Version in den Farbkombinationen Weiß auf Hellblau, Weiß auf Weinrot, Weiß auf Grau, Weiß auf Marine-Blau, Silber auf Schwarz und Weiß auf Grün. Bis heute verkauft sich der adidas Campus so gut, dass adidas ihn immer wieder auflegt, bevorzugt in den oben genannten Farben.

Auch die hier gezeigte Kollaboration mit South Park scheint farblich an einen originalen Colorway angelehnt zu sein. Auch wenn der Colorcode dieses Campus 80 Chalk Purple/ Cloud White lautet, wirkt das Upper eher hellblau als lila, so dass er farblich an einen der originalen Colorways aus den 80ern erinnert. Die Farbe ist allerdings als Anspielung an den namensgebenden Charakter der Serie South Park gemeint, nämlich das dauerbekiffte, sprechende Handtuch Towelie, und nicht als Reminiszenz an den OG Campus. Aus diesem Grund ist das Upper des Schuhs aus einem Frotteestoff gestaltet, gerade so, wie es Handtücher üblicherweise sind und wie es wohl auch Towelie ist. Schaut man sich die Innenseiten der Zungen rechts und links an, kann man zwei in der Serie immer wiederkehrende Zitate Towelies finden: “DON’T FORGET TO BRING A TOWEL“ und “I HAVE NO IDEA WHAT’S GOING ON“. Das eine sagt Towelie, wenn er auf die Wichtigkeit von Handtüchern hinweisen möchte, das andere, wenn er mal wieder so bekifft ist, dass er gar nichts rallt. Außen auf der Zunge prangen Towelies riesige Augen. Sie machen den Look perfekt. Doch richtig krass wird es erst, wenn die Augen von UV-Licht bestrahlt werden, denn dann wechselt der weiße Teil der Augen die Farbe. Der untere Bereich wirkt dann blutunterlaufen rot und zeigt feine Äderchen, der obere Bereich ist dann eher bläulich und könnte von daher ein Augenlied sein. Darstellen sollen diese Farbveränderungen natürlich die Augen des bekifften Towelie. Ob die natürliche UV-Strahlung der Sonne ausreicht, um diesen Effekt dann auch beim Tragen zu erreichen, ist uns nicht bekannt, wäre aber selbstverständlich wünschenswert. Ein weiteres kleines Kiffer-Feature befindet sich auf der Innenseite der Zungen, denn weiter unten weisen die Zungen eine kleine mit einem Klettverschluss versehene Tasche auf, in der man “etwas“ verstauen kann. Was Konsumenten in solchen “unauffälligen“ Stashes transportieren könnten, überlässt adidas der Fantasie der Käufer. Beim Kauf befinden sich jedenfalls zwei kleine Towelie Anhänger in diesen Täschchen. Mit der Sohle, dem Heel Tab und den Drei Streifen sehen wir weiße Bereiche, denn auch Towelie zeigt Weiß als zweite Farbe an den Armen und Beinen, sowie bei zwei weißen Randstreifen oben und unten.

Man kann hier adidas nur attestieren, dass sie bei der Umsetzung des Storytellings extrem kreativ und echt witzig waren. Das Team bei adidas Originals hat ganze Arbeit geleistet, um ein authentisches Produkt zum 4/20 abzuliefern. In der Streetwear- und Sneakerszene wird der Schuh bereits abgefeiert und die meisten Stores verraffeln den Schuh, soll heißen, die Nachfrage wird vermutlich größer sein, als das Angebot. Doch irgendwie wirft das auch Fragen auf. Ist die erwähnte Szene durchsetzt von Kiffern, oder sind die Leute einfach sehr liberal? Sollten börsennotierte Unternehmen wie Nike und adidas mit Produkten, die den Konsum einer zumindest in Deutschland und vielen anderen Staaten der Erde illegalen Droge “feiern“und damit Geld verdienen? Ist das ethisch und moralisch vertretbar? Im Zusammenhang mit den Folgen von regelmäßigem Konsum von Cannabis gibt es immer noch viele Fragezeichen. Die Fachwelt ist sich nicht einig, was tatsächlich auf Konsum und was eher auf Vorerkrankungen zurückzuführen ist. Es werden immer wieder Studien in Auftrag gegebene, die mögliche Folgen untersuchen sollen, doch belegbare Resultate über reale Gesundheitsgefährdungen gibt es nur wenige. Lethargie und Fressflashs kann man wohl kaum verteufeln. Und dass der Konsum von Tabak, der ja meistens mit dem Konsum von Marihuana einher geht, die Lunge und das Herz-Kreislauf-System schädigt, dessen ist sich eigentlich jeder bewusst.
Zwar stellt sich diese Frage uns nicht, aber konservative Teile der Gesellschaft wollen wissen, ob es notwendig ist, solche Produkte auf den Markt zu bringen.

Wir haben unseren Freund und Tausendsassa Caiza gebeten, zu diesem Thema Stellung zu beziehen und uns seine Meinung dazu Kund zu tun. Caiza ist schon seit vielen Jahren eine feste Größe in der Sneaker- und Streetwearszene. Mit seiner Turnschuhmesse “Kicks in the Hall“ bereicherte er über viele Jahre unsere Kultur. Auch bei seinem aktuellen Projekt “Dress Relief Podcast“, das er gemeinsam mit seinem Freund Sebastian hostet, vertritt er starke Positionen und spricht über Streetwear der Gegenwart und Vergangenheit. Als Freelancer im Bereich Consulting und mit Art Direction für Kampagnen, sowie mit Berichten für diverse Magazine über aktuelle Kollektionen angesagter Brands verdient er seinen Lebensunterhalt. Ihr solltet euch also Caizas Meinung nicht entgehen lassen, denn sie ist kraft- und gehaltvoll.

Wir wissen, dass das Konzept „Kollabo“ das ist, was die Turnschuhwelt sich heutzutage drehen lässt.
Jetzt sehen wir uns der Frage gegenüber, ob es denn nötig/verantwortlich/whatever sei, dass eine Traditionsmarke wie adidas, die seit über 70 Jahren im seriösen Sportbekleidungs-Business ist, einen Schuh pünktlich zum 4/20 mit Kiff-Bezug releast.
Vorweg: Alter Hut! Bereits 2016 kam der Adidas x Bait „Happy 420“ raus. Zwar eine gemeinsame Arbeit mit einem Store (Bait aus LA obviously), ist der Bezug zum Kiffgras nicht von der Hand zu weisen. Ich meine, der Schuh heißt halt „Happy 420“, hat eine versteckte Tasche an der Zunge (wenn das verwerflich ist, dann gehört das KangaROOS-Kanguru in den Knast), in der ihr eure 5er Packs vor der Schmiere verstecken könnt und verweist auf der Insole darauf, dass „Consumption“ zu „Relaxation“ führt. Saucony Kushwacker, Nike SB Dunk „Cheech & Chong“… Viele Releases schlagen bereits in dieselbe Kerbe.

Jetzt haben wir den adidas Campus „Towelie“ vor uns. Ein Schuh, der auf einem Charakter aus der preisgekrönten, satirischen, von Fäkalhumor-geprägten Animationsserie South Park beruht. Wer South Park nicht kennt, der muss gar nicht groß weiterlesen, den die mir gegebene Plattform hier würde der Geschichte dieser Kultserie nicht gerecht. Anyways…
Sagen wir mal eine Sache vorweg:
Towelie ist der schlechteste South Park Charakter überhaupt. Genau das sagt Cartman in der Folge seines ersten Auftritts zu ihm. Towelies Antwort darauf: „Ich weiß.“
Jetzt haben wir schonmal aus dem Weg geräumt, dass Towelie irgendjemand oder irgendetwas (schließlich ist er ein Handtuch) sein soll, zu dem man aufsieht.
Towelie ist Satire und ich glaube nicht, dass durch den Release dieses Schuhes irgendwas glorifiziert wird, was einen schlechten Einfluss auf irgendwen haben sollte. Wir sprechen hier schließlich nicht von einem „Nike Air Xanax“, einem „adidas Campus Codein“ oder etwas Ähnlichem. Einen adidas „Duffman“ aus der Simpsons Kollabo finde ich fast schon bedenklicher, da wir in diesem Fall nicht nur Alkohol-Missbrauch (Schließlich ist Alkohol überall frei erhältlich), sondern auch noch überzogenes Machotum mit dabeihaben. Aber ey, wer schaut denn zum Duffman oder Towelie auf? Sie unterhalten und machen sich mehr darüber lustig, was sie repräsentieren als sonst etwas. Und vor allem sind sie Teil der Pop-Kultur, genauso wie das Thema Turnschuh allgemein.
Ich erinnere mich daran, dass ich mit 12 ein South Park Shirt in der Schule getragen habe und daraufhin mit einer Lehrerin darüber reden musste. Aber das ist auch inzwischen fast 20 Jahre her. Zur selben Zeit habe ich das erste mal Friday und Half-Baked gesehen und dadurch nicht das Verlangen gespürt mir Gras zu besorgen. Natürlich auch alles eine Frage der Erziehung, aber mit der heutigen Erkenntnis und der Tatsache, dass Marihuana zwar hier (noch) verboten ist, aber inzwischen zur Behandlung von diversen Erkrankungen von A wie Anxiety bis Z wie Zitteranfälle durch Parkinson genutzt wird, ist an Marihuana nichts mehr zu verteufeln.

Jede Sucht ist bedenklich, aber ich mache mir mehr Gedanken über Kaufsucht und Verschuldung bei Jugendlichen durch den übermäßigen Konsum von Turnschuhen, als darüber, dass ein Jugendlicher durch einen Turnschuh, der auf einem sprechenden Handtuch beruht, jetzt mit dem Rauchen von Gras beginnt.
In dem Sinne: Happy 420! Blaze it!

Caiza

Fettes Merci, Caiza! Du hast mit deinem Standpunkt Recht. Und wenn man mal ganz genau hinschaut, verherrlicht adidas den Konsum von Marihuana auch gar nicht, denn adidas spricht nirgends davon, dass mit dieser Kollabo dem 4/20, dem Welt-Cannabis-Tag gehuldigt werden soll. Es handelt sich hier lediglich um eine Zusammenarbeit zwischen den Drei Streifen und South Park, zwei popkulturell relevanten Playern. Nirgendwo steht offiziell, dass die roten Augen vom Kiffen kommen, dass die Täschchen zum Verstecken von Gras gedacht sind und das Towelie nichts kapiert, weil er zu fettgepafft ist. Auch das Datum 4/20 wird nicht explizit in Zusammenhang mit der Story des Schuhs oder dem Welt-Cannabis-Tag genannt. Schlau, oder auch ein bisschen Feige? Das darf zum Glück noch jeder selbst entscheiden.