Sneaker Freakers monumentales Advertising Buch

Als uns vor ein paar Wochen das neue Buch des australischen Turnschuh Magazins Sneaker Freaker erreichte, waren wir zunächst völlig geplättet von der Größe und dem Gewicht des Buches. Dieser erste Eindruck des geplättet Seins war aber positiv und bestätigte sich, als wir das Buch aufschlugen und die ersten paar Seiten durchblätterten. Man kann sagen, dass der Titel “Soled Out – The golden age of sneaker advertising“ wie die Faust aufs Auge passt, denn das Buch umfasst Anzeigen (fast) aller relevanter Sportschuhhersteller aus den vergangenen fast 100 Jahren. Dabei legt ein klarer Fokus auf den 80er und 90er Jahren, welche wohl die bekanntesten und aufsehenerregendsten Werbekampagnen der Sportartikelwelt hervorgebracht haben. Im Folgenden erzählen wir euch von den im Buch vertreten Brands und wir wollen ein paar Anzeigen und Kampagnen vorstellen, die Sneaker Freaker im Buch zeigt. Bei einigen älteren Leser*innen wird dies sicherlich nostalgische Gefühle hervorrufen. Und eines schon vorweg: das Buch ist das perfekte Geschenk für jeden interessierten Sneakerhead. Man kann unglaublich viele Perlen der Sneakerhistorie entdecken und dabei so Einiges über seine Lieblinge lernen, denn viele der heute als Retro Lifestylemodelle wieder auf den Markt gebrachten Sneaker werden hier in ihren originalen Werbeanzeigen gezeigt. Das Buch ist seit einiger Zeit in unseren Stores in Berlin und Köln, sowie im Overkill Onlineshop erhältlich.

Um es vorweg zu nehmen, dieses Buch ist der absolute Hammer. Auf über 700 Seiten werden Anzeigen der Marken adidas, Asics, Brooks, Converse, Jordan Brand, L.A.Gear, New Balance, Nike, PONY, Pro-Keds, PUMA, Reebook und Saucony gezeigt. Das Buch kommt zur richtigen Zeit, denn wenn man sich die Entwicklungen im Bereich Print einmal vor Augen führt liegt die Vermutung nahe, dass es zukünftig solch wunderbar komponierte Anzeigen wie die in diesem Buch gezeigten nicht mehr geben wird. Immer mehr Zeitungen und Zeitschriften stellen den Druck ein, da sich hohe Stückzahlen der Druckerzeugnisse kaum noch unter Leute bringen lassen. Als Folge daraus verkaufen Verlage kaum noch Anzeigen, weswegen ein Großteil der Einnahmen wegbricht und der Druck solcher Zeitschriften defizitär wird. Die Konsequenz ist das Verschwinden solcher Magazine. In der Einleitung des Buches wird dieses Thema von Woody, Herausgeber des Sneaker Freaker Magazins, angesprochen. In seiner Analyse verleiht er der Macht des gedruckten Mediums Ausdruck und trauert den vergangenen Zeiten ein wenig hinterher. Verständlich, wenn man bedenkt, dass wir dadurch zukünftig wohl auf so großartiges Advertising wie Nikes Crosstraining Kampagne rund um Bo Jackson verzichten müssen. Auf mehreren Seiten zeigt Sneaker Freaker großformatig diverse Anzeigen dieser Nike Air Trainer Modelle. Versehen sind die Anzeigen mit der genauen Bezeichnung des beworbenen Schuhs, dem Jahr der Veröffentlichung der Anzeige, sowie ein paar weiteren mehr oder weniger relevanten Informationen.

Nach der oben erwähnten Einleitung folgen ein paar kurze Kapitel zu bestimmten Themengebieten des Sneaker Advertisings. Besprochen werden unter anderem schlagkräftigen Werbeslogans (Just Do It!), Turnschuhtechnologie als Aufhänger in Anzeigen, Autos als Hilfsmittel der Werbung, Basketball und Tennis als große Anzeigenbringer, politisch angehauchte Werbeanzeigen, oder auch Frauen als Werbeträger. Speziell wird es bei dem Thema, wie die Konkurrenz in gezielten Anzeigenkampagnen auf Nikes Air Technologie reagierte. Im Anschluss folgt die Aneinanderreihung von fast 900 Anzeigen der oben genannten Brands, die in Hochglanz teilweise doppelseitig abgedruckt sind. In alphabetischer Order reihen sich alle Marken auf unterschiedlich vielen Seiten aneinander, wobei nach Nike überraschenderweise Reebok (anstelle von adidas) der zweitmeiste Platz eingeräumt wird. Zu jeder Marke gibt es einen kurzen Abriss der Brand Historie, was Leser*innen, die nicht so tief in der Materie stecken, gute Grundkenntnisse vermittelt.

Beginnen wir bei A – wie adidas. Man könnte bei adidas über wirklich viele Anzeigen sprechen, doch es würde den Rahmen sprengen, daher haben wir selektiert. Eine besonders schöne Anzeige hat adidas für den adidas New York gemacht. Neben einem etwas längeren Text zur Technologie des Schuhs wird in ihr der Schuh überdimensional im Central Park gezeigt. Die Kernaussage der Anzeige ist, dass jeder Läufer, egal wo er herkommt, in New York laufen sollte: „Wherever you live, run in New York.“ Die Doppeldeutigkeit dieser Aussage macht diese Anzeige zu einem echten Juwel. Weitaus bekannter ist die Anzeigenserie der „I WANT – I CAN“ Kampagne, mit der Ende der 80er Jahre die TORSION Technologie beworben wurde.

Einige Anzeigen der japanischen Marke Asics sind für uns in Deutschland sehr interessant. Ende der 80er Jahre hatte man sich auf den Konkurrenten Nike eingeschossen und ganze Kampagnen darauf ausgerichtet, den Branchenprimus mit dem Swoosh schlecht aussehen zu lassen. Bei uns war diese Art der Werbung verboten, in den USA konnte man aber auf die Konkurrenz Bezug nehmen. „Just doing it doesn’t do it.“ sollte Sportlern deutlich machen, dass eben doch mehr dazu gehört, als es einfach zu tun – und dieses „mehr“ war die Technologie und der Fortschritt der Asics Sportschuhe. Oft waren Asics Werbeanzeigen mit Informationen zu Eigenschaften und Technologien versehen, welche die Betrachter vom Produkt überzeugen sollten. So werden im Buch diverse Anzeigen der bis heute sehr beliebten Gel Running Schuhe gezeigt. Selbst zum GEL-Lyte III erfährt man noch so einiges aus den Anzeigen.

Bei der Laufschuhmarke Brooks fallen vor allem die Anzeigen mit Portraits und Zitaten berühmter Persönlichkeiten auf. Brooks antwortet in den Anzeigen auf gewitzte Art und Weise auf diese Zitate und versuchte so Anfang der 80er Jahre einen Eindruck zu hinterlassen. Unglaublich und toll, dass es eine Zeit gab, in der solche Werbung erlaubt war.

Die wohl ältesten Anzeigen im Buch hat Converse aufzubieten. Sie gehen bis ins Jahr 1930 zurück und zeigen Chuck Taylors Converse ALL STAR Basketballschuhe. Es ist durchaus interessant, sich diese wirklich alten Kompositionen etwas näher anzuschauen. Ein absoluter Klassiker von Converse ist hingegen die “Choose your Weapon“ Kampagne, in dessen Mittelpunkt der Converse Weapon mit seinen prominenten Werbefiguren, den NBA Stars Larry Bird und Magic Johnson steht. Wunderbare Erinnerungen ruft auch die “Grandma Johnson“ Kampagne aus dem Jahr 1991 hervor, in der NBA Star Larry Johnson in die Rolle einer dunkenden Großmutter schlüpft, um aufsehenerregend den Converse Aero-Glide und Aero-Jam zu bewerben.

Bei Jordan Brand könnte man vermutlich jede der im Buch gezeigten Anzeigen erwähnen und alleine durch das Beschreiben der Anzeigen würden 95% der über 40jährigen jede einzelne dieser Werbungen wiedererkennen. Erwähnt werden sollen hier aber lediglich die besonders schönen und mittlerweile ikonischen Darstellungen zum Air Jordan 3 und 4, in denen Spike Lee als Mars Blackmon, eine Michael Jordan liebende fiktive Figur aus Spike Lees Film „She’s Gotta Have It“, auftritt.

L.A.Gear hat relativ wenige Anzeigen im Angebot. Das größte Zugpferd war nach seinem Abgang bei adidas sicherlich Kareem Abdul Jabbar. Neben den recht martialisch wirkenden Anzeigen für den „Fire High“ warb L.A.Gear hauptsächlich mit Prominenten wie Priscilla Presley, Paula Abdul und natürlich Michael Jackson, dessen Schnallen- und Nieten-Schuh „The Bad“ actionreich in Szene gesetzt wurde.

Besonders in New Balance Anzeigen konnte man sich gut über die beworbenen Schuhe informieren. Die Anzeigen enthielten neben Bildern der Schuhe auch fast immer eine ganze Menge Text, der gespickt war mit Argumenten, die vom Kauf der entsprechenden Schuhe überzeugend sollten. Im Buch werden etliche Ads für Running Modelle gezeigt, die heute im Lifestyle Segment ihren Platz gefunden haben. 990, 997, 1300 und 1500 sind nur einige prominente Beispiele dafür.

Wie schon zuvor bei Jordan Brand, könnte man auch bei Nike extrem viele Werbekampagnen herauspicken um sie hier als etwas Besonderes zu präsentieren. Von der großartigen 1982er Air Force 1 Kampagne um die damaligen NBA Stars Moses Malone und Michael Cooper, über die bereits erwähnte Air Trainer Kampagne mit Bo Jackson, oder die ikonischen Werbeanzeigen für Andre Agassis Tech Challenge Linie, bis hin zu den starken Anzeigen für all die bekannten Air Max Modelle, bleiben keine Wünsche offen. Dabei hinterlassen vier extrem schöne Anzeigen für den Nike Air Max 180 einen besonderen Eindruck, die von Künstlern gestaltet wurden. Doch auch unspektakuläre schwarz-weiß Anzeigen für Nikes 70er Running Modelle, die eher textlastig denn bildgewaltig daherkommen, finden in diesem Buch ihren Platz.

Bei PONY sticht eine Anzeige mit NFL Superstar Dan Marino in einem weißen Ferrari Testarossa heraus, bei Pro-Keds ist es eher eine alte Basketballanzeige aus den 70er Jahren, die man vielleicht schon einmal im Netz gesehen hat. Bei PUMA hingegen wird an das revolutionäre Disc-Schnürsystem erinnert, sowie an den RS Computer Shoe, dessen Werbeslogan “People Who Run in PUMAs Know a lot More Than People Who Don’t“ überragend den Zeitgeist traf. Natürlich darf bei der Marke mit dem Formstrip Boris Becker nicht fehlen, der Mitte der 80er Jahre einer der wenigen Weltstars war, die Deutschland hatte.

Wie bereits zuvor erwähnt nehmen die Anzeigen der Marke Reebok den zweitmeisten Platz im Buch ein. Der Grund liegt auf der Hand: Reebok machte einfach sehr viele gute und bekannte Werbekampagnen im letzten Jahrtausend, so dass sich das australische Sneaker Freaker Magazine vermutlich gezwungen sah, auch sehr viele dieser Anzeigen im Buch zu präsentieren. Das Portfolio reicht von Shawn Kemps Kamikaze, Michael Changs Court Victory Pump und Steven Smiths bahnbrechendem Instapump Fury Design, bis zu Shaquille O’Neals Shaq Attaq und Anzeigen, welche die Pump Technologie als solche bildhaft und in Worten erläuterten. Fehlen darf natürlich auch nicht die Anzeige mit Sigourney Weaver im damals sogenannten „Alien Fighter Shoe“ – ein absoluter Klassiker. Auch bei Reebok ist zu erkennen, dass insbesondere ältere Werbeanzeigen für Running-Modelle eher Texte und Informationen zur Technologie aufweisen, denn schlagkräftige Bilder oder Werbeslogans.

Ähnlich ist es bei der Laufschuhmarke Saucony, die den Abschluss des Buches bildet. Hier findet man ein paar schmissige Slogans wie „America the Comfortable.“, oder „Our Shadow proves the theory of evolution.”. Ansonsten stehen die Schuhe im Vordergrund und sprechen für sich selbst.

Neben all den Erinnerungen und Informationen, die man mit dem Buch auf dem Silbertablett präsentiert bekommt, stellt dieses Buch eine Art Almanach des Graphik Designs dar, wie es Woody in seiner Einleitung so passend beschreibt – zwar bezogen auf Werbung für Sportschuhe, doch ist die Ästhetik vermutlich übertragbar auf diverse Segmente der Printvermarktung. Jede Epoche hat seinen Zeitgeist, der sich in den Anzeigen widerspiegelt. Dieser Schinken gehört in jede gut sortierte Sneakerbuch-Bibliothek, ohne Wenn und Aber.